Entwicklung und Benutzerakzeptanz von Chatbotsystemen

Die Interaktion zwischen Mensch und Computer hat sich heute soweit entwickelt, dass in vielen Unternehmen Benutzeranfragen zumindest teilweise automatisiert beantwortet werden.

Cian Ehrismann

4/5/20237 min read

Auch in vielen interaktiven Kanälen wie etwa den Sozialen Medien wird heute ein Teil der Kommunikation mit Benutzern durch elektronische Systeme automatisiert (vgl. Zamora, 2017). Diese Systeme befinden sich in einer ständigen Weiterentwicklung, die sich immer besser an die Bedürfnisse der Benutzer nach einer zügigen Beantwortung von Anfragen anpasst. Dies spiegelt den Wunsch der Benutzer nach einer sofortigen Beantwortung ihrer Fragen. 

Entwicklung und Benutzerakzeptanz von Chatbotsystemen

Einfache automatische Kommunikationssysteme wie etwa statische FAQ-Systeme konnten bisher zwar einen Teil der an sie gestellten Anfragen beantworten, sie sind jedoch sehr statisch und in ihrer Funktionalität stark eingeschränkt, da sie nur auf bestimmte, im Vorfeld genau definierte Anfragen reagieren können (vgl. Shum et al, 2018). Sie folgen einem „Regelbaum“ oder dem Prinzip von „Rule/Pattern“ (Regel/Muster), das dem Benutzer eine vordefinierte Auswahlmöglichkeit für Anfragen anzeigt und je nach der durch den Benutzer getroffenen Auswahl eine ebenso vorgegebene Lösung anbietet. Diese einfachen Kommunikationssysteme sind jedoch recht unflexibel und konnten nur auf genau vordefinierte Anfragen reagieren (vgl. Sameera et al, 2015). Dem Benutzer hat dabei keine Möglichkeit, eine spezifische Frage zu stellen, die von den Programmierern des Systems nicht vorhergesehen wurde (vgl. Shum et al, 2018).

Die Weiterentwicklung des „Rule/Pattern“-Systems besteht im Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) für Chatbots. Diese Systeme sind durch Algorithmen in der Lage, in der Interaktion mit dem Benutzer zu lernen und die Absicht des Benutzers in einer von ihm gestellten, „natürlichen“ Frage zu erkennen (vgl. Zamora, 2017). So können Anfragen von Benutzern flexibler und zügig bearbeitet werden. Die Kommunikation gleicht zudem der Unterhaltungsführung von zwei Personen, da die KI interaktive Fragen stellt und selbstlernend ist, das heisst, auf die Eingaben des Benutzers reagieren kann (vgl. Shum et al, 2018). Ein solches System bietet nicht nur eine höhere Effizienz, sondern auch eine höhere Attraktivität und Benutzerzufriedenheit. Die Alternative zu einem selbstlernenden System ist das fortwährende Anlernen und Anpassen des Chatbots durch die Programmierung, was in dem Masse erfolgt, wie Benutzer mit dem Chatbot. (vgl. Pereira et al in Sameera et al, 2015: 78): Eine solche Verbesserung beruht auf der Anpassung des Korpus durch „Vermeidung von Überlappung... und Kombination verfügbarer Fragen und Antworten und Dialogformate“ (Pereira et al in Sameera et al, 2015).

Auf KI beruhende, zum Dialog mit menschlichen Benutzern fähige Chatbots wurden erstmals vor etwa 50 Jahren erstmals entwickelt und seitdem stets weiterentwickelt und ausgefeilt (vgl. Radziwill et al, 2018): Als der erste Chatbot, der auf der Basis einer künstlichen Intelligenz funktioniert, gilt das im Jahr 1966 entwickelte Programm „Eliza“, das erstmals eine auf Sprache beruhende Kommunikation zwischen Mensch und Computer möglich machte. Dieses recht primitive Programm verglich Schlüsselwörter und in einem sehr geringen Umfang den Kontext der menschlichen Eingabe und war nicht in der Lage, eine fortwährende Kommunikation zu führen (vgl. Shum et al, 2018). In den 80er Jahren folgte das Programm „Alice“, das zur Entwicklung einer auf künstlicher Intelligenz beruhenden Sprache führte: AIML, oder Artificial Intelligence Markup Language (vgl. Shum et al, 2018). Diese Sprache gleicht aus den eingegebenen Wörtern erkannte Regeln mit Mustern und Kategorien ab und stellt heute die Grundlage der meisten Chatbot-Dienste dar (Radziwill et al, 2018).

Moderne Chatbots sind in der Lage, das Anliegen von Benutzern in einem natürlich geschriebenen oder auch gesprochenen Satz zu erkennen und zu beantworten (vgl. Zamora, 2017). Auch wenn maschinelle Systeme nicht in der Lage sind, Botschaften durch Gestik, Mimik, Tonfall oder andere nonverbale Signale zu interpretieren, die in der zwischenmenschlichen Kommunikation eine Rolle spielen, können solche Systeme, die auf einer KI und einer intelligenten Spracherkennung beruhend, dennoch die Absicht in einer Aussage des Benutzers erkennen (vgl. Shum et al, 2018). Die Formulierung einer solchen Aussage muss dazu nicht festgelegt sein, d. h. ein Chatbot kann alternative Formulierungen verstehen wie etwa „Scheint morgen die Sonne?“ oder auch „Wie wird das Wetter morgen?“ Dazu bedienen sich Chatbots verschiedener Bausteine. Die KI erkennt zunächst die gesprochene oder per Texteingabe eingegebene Aussage („Utterance“) des Benutzers und übersetzt sie in „Intents“ (Absichten) (vgl. Khan et al, 2108). Daraufhin wird dem Benutzer die Antwort oder Lösung seiner Anfrage ausgegeben. Zudem kann das System selbständig lernen, welche Absichten sich in unterschiedlich formulierten Aussagen verbergen und auf diese zu reagieren (vgl. Khan et al, 2018). Durch den Einsatz dieser KI-Technologien wird die Interaktion mit dem Chatbot für den Benutzer natürlicher und gleicht eher einem Gespräch mit einer Person als der Eingabe einer Suchanfrage in ein maschinelles System (vgl. Shum et al, 2018). Bei einigen Chatbots wird dies sogar dadurch verstärkt, dass ihnen eine Art künstliche „Persönlichkeit“ verliehen wird: Chatbots erhalten einen Namen und einige Chatbots sind darauf programmiert, in ihren Antworten Empathie zu vermitteln (zum Beispiel: „Siri“ bedauert, nicht weiterhelfen zu können oder fragt nach dem Befinden des Benutzers). Chatbots sind heutzutage im Alltag bereits weitverbreitet. Bekannte Beispiele dafür sind „Siri“ von Apple, „Alexa“ von Amazon oder der Google Assistant. Zudem nutzen Unternehmen sie zunehmend zur Kommunikation mit dem Benutzer, beispielsweise Facebook. Auch einige europäische Universitäten bieten Studierenden bereits die Lösung von Anfragen per Chatbot an, wie etwa die Universität Berlin, die Universität Münster oder die englische Universität Leeds. Diese bieten den Studierenden etwa Beratung zu Studiengängen, Modulen, Prüfungen und Veranstaltungen an.

Chatbots beruhen auf einer von mehreren heute verfügbaren Entwicklungsplattformen. An Entwicklungsplattformen stehen derzeit die folgenden zur Verfügung (vgl. Garcia Burstenga et al, 2018: 9):

-          Watson: Eine von IBM entwickelte Plattform für die Entwicklung von Chatbots mit der Funktion von Sprache-zu-Text und Text-zu-Sprache

-          Azure: Eine von Microsoft entwickelte Plattform mit verschiedenen Tools für die Chatbotentwicklung mit dem NLP-Service „LUIS“ (Language understanding intelligent service) zur Sprachverarbeitung (vgl. Yan et al, 2016, in Garcia Burstenga et al, 2018).

-          TensorFlow: Eine von Google bereitgestellte Software, die Entwicklern Ressourcen anbietet. Google bietet auch die Programmierschnittstelle Cloud Natural Language für die Erkennung und das Verstehen von natürlicher Sprache.

-          Lex: Amazons Tool, das Entwicklern die Integration von Chatbots in mobile Apps ermöglicht. Darauf beruht auch Alexa, Amazons cloudbasierter Spracherkennungs-Service.

-          Facebook: Bietet einen im Facebook-Messenger und in WhatsApp integrierten Chatbot und das Entwicklertool wit.ai.

-          Weitere Chatbot-Plattformen sind Botkit, Rasa, Digital Genius und einige andere.

Für die Zwecke dieser Arbeit ist von Belang, dass bis auf das von Amazon entwickelte Tool Lex alle NLP-Systeme in der Lage sind, sowohl Absichten als auch Entitäten zu verarbeiten (vgl. Braun et al, 2018). Damit kommen zumindest theoretisch alle der oben genannten Systeme in Frage.

Ein von Wissenschaftlern der Universität Paderborn und der Arizona State University gemeinsam erarbeitetes Papier zu einem Demo-Chatbot namens DBpedia bezieht sich ausdrücklich auf eine Problemstellung, die auch auf die SML zutrifft: „Wachsende domänenspezifische Gemeinschaften (...) sind oft dadurch charakterisiert, dass neue Benutzer bei ihrem Beitritt zu der Gemeinschaft Fragen stellen, die zuvor bereits beantwortet wurden“ (Athreya et al: 2017). Die SML kann insofern als eine „domänenspezifische Gemeinschaft“ verstanden werden, dass ihre studentischen Mitglieder ein gemeinsames Ziel in einer einheitlichen, abgeschlossenen Umgebung verfolgen, das Studium an der Schule. Der DBPedia-Demo-Chatbot ist auf einem modularen, auf der Erkennung von Absichten beruhenden Chatbot-System aufgebaut, ähnlich demjenigen, das in dieser Arbeit verfolgt wird (vgl. Abschnitt 3.2 Grundaufbau eines Chatbots). Die Forscher erfassten neben der Häufigkeit der Chatbotnutzung, 1.400 Mal innerhalb der ersten sechs Monate nach seiner Einführung, auch die Gesprächslänge, die durchschnittlich 16 Nachrichten umfasste (vgl. Athreya et al, 2017). Daraus schlossen sie auf ein bestehendes Interesse von Seiten der Benutzer an der Interaktion mit dem DBPedia-Chatbot.

Wenn die Akzeptanz von Chatbots auch bei Konsumenten laut Umfragen von Marktforschungsunternehmen bereits hoch ist und weiterhin steigt, gibt es auch kritische Stimmen, die beachtet werden sollten. Stanoevska-Slabeva et al. untersuchten das Einsatzpotenzial und Anwendungsmöglichkeiten von Chatbots in der Schweiz. Sie stellten fest, dass die vielfältigen Dialekte in der Schweiz eine grosse Herausforderung für die Spracherkennung eines Chatbots darstellen kann. Zudem lag die Akzeptanz der Benutzer deutlich unterhalb der von Marktforschungsunternehmen angegebenen Daten: 60,7 % beantworteten die Frage, ob sie sich vorstellen können, „mit einem digitalen Partner (wie Chatbots oder Voice-Robots) zu interagieren“ mit „Nein“ und 31,8 % mit „Vielleicht“. Nur 7,6 % der Benutzer antworteten mit „Ja“ (Stanoevska-Slaveba et al. 2017). Die Vorteile, die Benutzer wahrnehmen, sind laut der gleichen Studie folgende:

-          Erreichbarkeit und Schnelligkeit

-          Erleichterung im Alltag und

-          Verringerte Wartezeiten

(vgl. Kayak 2017 in: Stanoevska-Slaveba et al. 2017).

Diesen Vorteilen stünden, so die Autoren, vor allem Bedenken hinsichtlich der Datentransparenz und Manipulation sowie der Technikabhängigkeit und auch Fehleranfälligkeit der automatischen Systeme gegenüber. Die Benutzerakzeptanz stiege bei einfachen Anliegen und bei Kontaktaufnahme über einen digitalen Kanal. Bei dieser geringen Akzeptanz und den durch die Befragten geäusserten Bedenken unterscheiden die Autoren der Studie nicht ausdrücklich zwischen Chatbots, die nach dem Prinzip „Rules/Patterns“ funktionieren und solchen, die künstliche Intelligenz (KI) nutzen. Erste sind von ihrem Wesen her starrer und nur in der Lage, auf vollkommen vordefinierte Eingaben zu reagieren und diese mit den im System definierten Antworten abzugleichen. Diese Chatbots sind nicht in der Lage, auf natürlich menschliche Sprache und damit unterschiedlich formulierte Anfragen zu reagieren. Die hier vorliegende Arbeit befasst sich jedoch mit dem weiterentwickelten System des Chatbots, das mit Hilfe von KI in der Lage ist, natürliche Sprache zu verstehen und dass seine Ausgabe durch einen selbstlernenden Algorithmus ständig verbessern kann.

Weitere Studien zur Akzeptanz von Chatbots belegen, dass Verbraucher zunehmend einen schnellen Service erwarten. Gründe hierfür sind in der zunehmenden Verbreitung des Internets, insbesondere der mobilen Verbindungen zu suchen (Fischer, Siri 2018). Zudem bewerten Verbraucher die Kommunikation mit einem Chatbot – mit den oben getroffenen Einschränkungen hinsichtlich des Sprachverständnisses und der Komplexität der Fragen – als zunehmend positiv. Laut einer Umfrage von Liveperson (http://info.liveperson.com/Bots-In-Customer-Care.html) bei 5000 Verbrauchern in sechs Ländern sind 52 % der Verbraucher in Deutschland nicht bereit, länger als 2 Minuten auf eine Klärung ihrer Frage zu warten, um den Kundenservice als „Exzellent“ zu bewerten. Aus der gleichen Studie ergibt sich eine steigende Akeptanz von Chatbots in den letzten Jahren, was vor allem auf „Millenials“ zutrifft, also die Generation der 16-22-jährigen, damit die künftige Zielgruppe der Studierenden an der SML. 52 % der deutschen Millenials geben an, dass ein Bot ihnen helfe, einen besseren und schnelleren Service zu erhalten. Die Autoren Sameera und Wolf stellten in einem von ihnen angestellten Überblick über verschiedene Chatbot-Designs fest, dass Chatbots, die „Gesprächstechniken“ verfolgen, die Interaktion von Benutzern mit dem Computersystem verbessern (vgl. Sameera et al 2015: 77). Als Schlussfolgerung hängen der Nutzen eines Chatbots und damit die Akzeptanz durch den Benutzer also direkt mit dem Aufbau, der Gestaltung und dem Umfang des Korpus zusammen. Je mehr und besser ein Chatbot die Fragen eines Benutzers interpretieren kann, desto zielgerichteter und wertvoller kann er auf diese Anfrage reagieren. Diesem Punkt ist bei der Installation eines Chatbots also besondere Beachtung zu schenken.