Die Renaissance der Berufsbildung: Antwort der Schweiz auf den Fachkräftemangel

Géraldine Grau, die Grau Electricité AG in Freiburg in der vierten Generation leitet, absolvierte ihre Lehre im Alter von 26 Jahren, als sie bereits einen Bachelor in Betriebswirtschaft der ZHAW hatte.

Cian Ehrismann

9/5/20234 min read

Géraldine Grau, die Grau Electricité AG in Freiburg in der vierten Generation leitet, absolvierte ihre Lehre im Alter von 26 Jahren, als sie bereits einen Bachelor in Betriebswirtschaft der ZHAW hatte. "Ich war das einzige Mädchen in meinem Jahrgang, als ich auf den Baustellen hinter einem Presslufthammer stand. In meiner jetzigen Position macht mich dieses Wissen vor Ort glaubwürdiger gegenüber Kunden und gibt mir Legitimität gegenüber den Angestellten", sagt die Schweizerin.

In Zeiten des Fachkräftemangels ist die Lehre mehr denn je ein schneller Weg zum Erfolg. Die Lohnbedingungen sind schnell attraktiv und die Weiterbildungsmöglichkeiten ermöglichen es, hohe Ziele und Positionen zu erreichen. Der Arbeitsmarkt zeigt sich überaus nachfragend. Die berufliche Erstausbildung ermöglicht gleichzeitig den Zugang zu Universitäten, ETHs (Eidgenössische Technische Hochschulen) und FHs (Fachhochschulen) sowie zu eidgenössischen Diplomen https://www.berufsberatung.ch/dyn/show/2893.

Leider wird dieser Bildungsweg häufig zugunsten des gymnasialen Bildungswegs vernachlässigt. Viele Lehrstellen werden nicht besetzt (siehe unten).

Abbildung 1. Quelle: Statista, 2023. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/623732/umfrage/lehrstellenvergabe-in-der-schweiz/.

Personen mit einer abgeschlossenen Lehre haben gemäss Erfahrung der Geschäftsleitung der Schachenmann ein ausgezeichnetes Profil. Sie haben das Handwerk gelernt, indem sie alle Stufen der Karriereleiter erklommen haben.

Mit der beruflichen Erstausbildung verfügt die Schweiz über ein außergewöhnliches System, das junge Menschen auf eine Karriere als Unternehmer vorbereitet und auch den Anschluss an die akademische Laufbahn ermöglicht.

Offene Stellen

In der Schweiz gibt es 245 duale Ausbildungsgänge. Plattformen wie berufsberatung.ch bieten eine Fülle von Informationen für Jugendliche und ihre Eltern.

Einige neue Studiengänge

Solarenergie: Spezialisten für Photovoltaik Die Solarenergieindustrie ist ein boomender Sektor, der zwei neue Ausbildungsgänge einführt. Es handelt sich um das eidgenössische Berufsattest "EBA Solarteur/in", das nach zwei Jahren erworben wird, und das eidgenössische Fähigkeitszeugnis "EFZ Solarinstallateur/in", das nach drei Jahren erworben wird. Der erste Jahrgang startet im Herbst 2024 in den Polybat-Ausbildungszentren in Les Paccots (FR) und Uzwil (SG). Derzeit gibt es in der Schweizer Solarindustrie etwa 10.000 Vollzeitarbeitsplätze. Bis zum Jahr 2050 wird sich diese Zahl mehr als verdoppeln, schätzt der Branchenverband Swissolar (Swissolar, 2021).

Mehr Möglichkeiten für kaufmännische Auszubildende Ab dem Schuljahr 2023 werden kaufmännische Auszubildende zwischen verschiedenen Fachrichtungen wählen können, deren Anzahl auf 19 erhöht wurde. Das Spektrum reicht von A (für Automobil) über T (für Transport) und M (für Marketing und Kommunikation) bis hin zu G (für Gesundheit und Soziales). Jedes Jahr entscheiden sich etwa 13.000 junge Menschen für diesen beliebten Weg. Viele von ihnen setzen ihre Ausbildung fort und werden unter anderem Verkaufsleiterin, Betriebswirtin, Marketingmanagerin, HR-Spezialistin oder Social-Media-Managerin.

Experten für technische Geräte im Gesundheitswesen Medizinproduktetechnologen sind Spezialisten für die Aufbereitung von Medizinprodukten. Diese Zubehörteile werden bei chirurgischen Eingriffen, diagnostischen Anwendungen oder in der Pflege im Allgemeinen verwendet. Die Technologen reinigen und desinfizieren die Geräte, verpacken sie und sterilisieren sie unter Anwendung der erforderlichen Verfahren. Derzeit gibt es nur wenige Unternehmen, die Auszubildende in dieser Fachrichtung ausbilden. Zum Schuljahresbeginn 2022 haben etwa zehn Westschweizer diese Ausbildung begonnen.

Es gilt die Karrieremöglichkeiten zu betonen, die die duale Ausbildung bietet. Diese Möglichkeiten werden ungerechtfertigterweise zugunsten von akademischen Studiengängen mit vielen Hindernissen verschmäht.

Bauwesen und Gebäude

Dieser zu Unrecht vernachlässigte Bereich bildet sehr gefragte Fachkräfte aus und verspricht sehr gute Gehälter.

Im Sommer 2022 waren etwa 7000 Stellen im Baugewerbe zu besetzen. Der Mangel an Arbeitskräften betrifft alle Berufe der Branche (Dachdecker, Heizungsbauer, Elektriker, Tischler) und führt zu Verzögerungen oder sogar Stornierungen von neuen Bauprojekten und zu höheren Kosten. Allein im Photovoltaiksegment gibt es etwa 5500 Arbeitsplätze. In den nächsten drei Jahren wird fast die doppelte Anzahl an Arbeitskräften benötigt. Die Renovierung von Gebäuden, die in großem Umfang geplant ist, um die CO2-Neutralität zu erreichen, stellt eine große Herausforderung für das Land dar (Ryf et. al, 2022, S. 13).

Die Berufe im Bauwesen haben sich weiterentwickelt. Heute wird weniger mit der Kelle gearbeitet, sondern mit technischen Hilfsmitteln wie Drohnen und Tablet-PCs. Dies erhöht natürlich die Attraktivität der Branche für junge Leute. Entgegen der landläufigen Meinung hat sich die Baubranche als eine Branche mit gutem Einkommen etabliert hat. Alle Klassen von Arbeitnehmern profitierten von Lohnerhöhungen im Jahr 2022. Das Durchschnittseinkommen der Arbeitnehmer liegt bei 6.200 CHF pro Monat, was mehr als 80.500 CHF pro Jahr entspricht. Ein Vorarbeiter erhält fast 8.000 Franken brutto im Monat (Ryf et. al, 2022, S. 9).

IT und Technik

Der Personalmangel in diesem Sektor ist enorm, während der Bedarf an Fachkräften weiter steigt (Ryf et. al, 2022, S. 11).

Bis 2030 werden in der Schweiz nach jüngsten Schätzungen fast 40.000 IKT-Spezialisten (Informations- und Kommunikationstechnologie) fehlen. Gemäss Ryf et al. (2022, S. 15) wird der Mangel an Informatikern die Schweizer Wirtschaft in den nächsten sieben Jahren 31 Milliarden Franken kosten. Informatik ist einer der beliebtesten Berufe bei jungen Menschen. Was fehlt, sind die Ausbildungsplätze. Die Herausforderung besteht nun darin, die Unternehmen davon zu überzeugen, mehr Lehrlinge auszubilden. Und natürlich auch, mehr Mädchen für die IKT-Berufe zu gewinnen.